Wer in den vergangenen Monaten von Norddeich mit der Fähre nach Norderney oder Juist hin- oder zurückgefahren ist, dem sind sie vielleicht schon aufgefallen: vier rot-weiß gestreifte Türme. Es handelt sich um die neuen Richtfeuer, von denen jeweils zwei zusammen eine Richtfeuerlinie bilden.
60 beziehungsweise 47 Jahre haben die beiden alten Richtfeuerlinien der Hafenzufahrt in Norddeich den Wellen und der Witterung getrotzt, haben den Schiffen zuverlässig den sicheren Weg gewiesen. Doch letztlich sind ihre Abnutzungserscheinungen zu gravierend geworden. Um die Sicherheit der Schifffahrt weiterhin zu gewährleisten, entschied sich Niedersachen Ports (NPorts) für eine umfassende Erneuerung. Begonnen haben die Arbeiten im vergangenen September, seit Kurzem leuchten die vier Richtfeuer wieder. Die neuen Türme sind mit Plattformen für Wartungszwecke ausgestattet und verfügen über verbrauchsarme LED-Technik.
Was sind Richtfeuerlinien?
Eine Richtfeuerlinie ist ein wichtiges Navigationshilfsmittel für die Schifffahrt. Sie dient dazu, Schiffen die Fahrrinne, also den tiefen, sicheren Wasserweg, aufzuzeigen und beispielsweise eine sichere Navigation durch eine ungerade Hafeneinfahrt wie in Norddeich zu ermöglichen. Besonders bei schlechtem Wetter, in der Nacht oder bei dichtem Nebel helfen Richtfeuerlinien, Unfälle wie Grundberührungen oder Kollisionen mit Hindernissen wie z. B. dem Leitdamm zu vermeiden.
Eine Richtfeuerlinie besteht aus zwei festen Leuchtfeuern: Das Unterfeuer ist ein niedrigeres Licht, das näher an der Fahrrinne steht. Das Oberfeuer ist ein höheres Licht, das etwas weiter entfernt ist. Die beiden Lichter bilden eine Linie, auch Richtfeuerlinie genannt. In Seekarten ist die Kennung sowie die genaue Ausrichtung der Richtfeuerlinien vermerkt. Wenn beispielsweise eine Kapitänin auf einem Schiff diese beiden Lichter genau übereinander sieht, bedeutet das, dass das Schiff auf dem sicheren Kurs ist. In Norddeich stammen die alten Richtfeuer 1 und 2, die den Schiffen den Weg aus dem Hafen heraus weisen, aus dem Jahr 1977. Die alten Richtfeuer 3 und 4, die den Weg zum Hafen weisen, stammen aus dem Jahr 1964.
Besondere Herausforderungen
Im Herbst hat die Firma Heuvelman Ibis aus Ostfriesland die neuen Spundwände und die Pfahlbauten gerammt. Die Spundwände dienen zum Einfassen des Kolkschutzes und damit zum Schutz des Richtfeuers. „Um ein Rammen der Spundwände zu ermöglichen, mussten zunächst die vorhandenen Seekabel hinausgezogen werden. Danach wurden die Seekabel sicher in neuen Kabelschutzrohren verlegt“, erläutert Immo Remmers von der NPorts-Niederlassung Norden, der die Bauleitung innehatte. Im Anschluss wurden die Schaltschränke an den Türmen eingebaut, ehe Elektrotechniker Thole Saathoff mit seinem Team, ebenfalls von der Niederlassung Norden, die LED-Lichter einsetzte.
So einfach wie beim Einschalten privater Lampen daheim verhält es sich mit den Richtfeuern mitnichten: „Die Position der Lichter muss mithilfe eines speziellen Justiergeräts exakt bemessen und eingestellt werden“, erklärt Saathoff, „hierzu sind wir im engen Austausch mit den zuständigen Ämtern und Behörden.“
Wer in Deutschland eine Richtfeuerlinie erneuern will, steht vor einer weltweit einmaligen technischen Herausforderung. „Während es in anderen Ländern in Ordnung ist, ein einzelnes defektes Richtfeuer zu warten, gilt hierzulande: Wenn das Ober- oder Unterfeuer ausfällt, so muss auch das intakte andere Feuer der betroffenen Linie ausgeschaltet werden“, erklärt Saathoff. Dadurch soll vermieden werden, dass jemand Lichtspiegelungen auf der Wasseroberfläche für das zweite Licht der Richtfeuerlinie hält und somit womöglich auf einen falschen Kurs gerät.
Weltweit können die jeweils Verantwortlichen die Richtfeuer über das Mobilfunknetz steuern. Wenn eines der beiden Feuer ausfällt, ist aber nicht vorgesehen, dass man über diese Funktechnik auch das andere, intakte Licht ausschalten kann – außer in Deutschland besteht dazu schließlich keine Notwendigkeit. „Deswegen müssen wir unsere Richtfeuer über Seekabel aktivieren“, fährt Saathoff fort. „Sie überwachen sich über diese Kabel auch gegenseitig. Sobald die Strahlkraft einer der LED-Lichter einen bestimmten Wert unterschreitet, schaltet sich das Leuchtfeuer aus – das andere in der Folge auch. Über die Funktechnik würde das nicht funktionieren.“
Die Gesamtkosten für das Projekt liegen bei 1,1 Millionen Euro. „Insbesondere die exponierte Lage im Wattenmeer östlich des Leitdammes in Norddeich hat die Baumaßnahme zeit- und kostenintensiv werden lassen“, erklärt Remmers. „Das Verholen zwischen den vier Richtfeuer-Standorten war bei den landseitigen Richtfeuern aufgrund des Tiefgangs der Schiffe nur bei erhöhtem Tidehub, also einer ausreichenden Wassertiefe, möglich.“
Einen Eindruck von den Arbeiten in Norddeich bekommen Sie in diesem Kurzvideo (Musik: musicfox.com).
Bildtexte:
Die neuen Richtfeuer 1 und 2, die den Schiffen den Weg aus dem Hafen Norddeich weisen (Bild: Immo Remmers/NPorts)
Dieses NPorts-Team sorgte dafür, dass den Schiffen in Norddeich weiterhin zuverlässig der sichere Weg gewiesen wird: Bauleiter Immo Remmers (von rechts) sowie Thole Saathoff, Holger de Vries und Reno Heddinga vom Technischen Service. (Bild: Kai-Uwe Saathoff/NPorts)
Die neuen Türme sind mit Plattformen für Wartungszwecke ausgestattet und verfügen über verbrauchsarme LED-Technik. (Bild: Jantje Ziegeler/NPorts)