Die Niedersachsen Ports GmbH und Co. KG (NPorts) hat in Kooperation mit dem JadeWeserPort zweieinhalb Jahre lang im Forschungsprojekt RaDaR4.0 untersucht, wie sich die Erfassung der Ein- und Ausfahrten der Hafenbahnen optimieren lässt. RaDaR steht für „Rail Data Reconnaissance“. 4.0 verweist auf die digitale Transformation im Sinne von Logistik 4.0, bei der moderne Technologien zur Optimierung von Prozessen eingesetzt werden.
Das erfolgreich abgeschlossene Projekt mit seinen Ergebnissen hat Romina Hanisch, Eisenbahnbetriebsleiterin für die Gleisinfrastruktur in Wilhelmshaven und Projektverantwortliche, an diesem Mittwoch in einer Abschlussveranstaltung im Stellwerk der Hafenbahn in Wilhelmshaven vorgestellt: ein System aus Kameras und spezialisierter Software, die ein- und ausfahrende Züge automatisiert erfasst und Daten zur Verfügung stellt, die für den reibungslosen und effizienten Hafenbahnbetrieb von hoher Wichtigkeit sind.
Gute Planung durch gute Daten
Hafenbahn-Disponenten brauchen verlässliches Datenmaterial, um die Hafeninfrastruktur von NPorts optimal nutzen zu können. Waggonanzahl und Waggonnummern werden von den Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) übermittelt. Sind diese Daten nicht vollständig oder nicht korrekt, könnte ein langer Zug möglicherweise einem zu kleinen Gleis zugewiesen werden. Dadurch wird das Gleisnetz nicht effizient ausgelastet und die Logistikkette könnte gestört werden. „RaDaR4.0 gibt uns Planungssicherheit, weil wir umfangreiche Daten durch ein einzigartiges System aus handelsüblichen Standardkameras und spezialisierter Software nutzen“, so Holger Banik, Geschäftsführer der Niedersachsen Ports GmbH & Co. KG sowie der JadeWeserPort Realisierungs GmbH & Co. KG.
Hafenbahn und Hafenbahn-Disponenten
Das Gleisnetz der NPorts-Häfen Brake, Cuxhaven, Emden und Wilhelmshaven erstreckt sich auf insgesamt rund 100 Kilometer - ein Netzwerk, das eine präzise und durchdachte Steuerung erfordert. NPorts-Mitarbeitende in der Hafenbahn-Disposition übernehmen hier eine zentrale Rolle, indem sie das Ein- und Ausfahren der Züge koordinieren. Eine wichtige Aufgabe, denn dadurch garantiert NPorts, dass Waren und Güter zuverlässig da ankommen können, wo sie zu einem bestimmten Zeitpunkt sein sollen.
Romina Hanisch beschreibt die Arbeit ihrer Kollegen wie folgt: „Wer schon einmal Tetris gespielt hat, weiß womöglich erst nach einem verlorenen Spiel, wie essenziell vorausschauendes Denken und gute Planung ist. Tetris ist nicht immer einfach. Und wenn man sich noch vorstellt, die Tetris-Blöcke wären meterlange Züge, dann hat man eine Vorstellung davon, was unsere Hafenbahn-Disponenten täglich leisten.“ Hanisch unterstreicht: „Mit dem Projekt RaDaR4.0 wollen wir die Arbeit unserer Hafenbahn-Disponenten langfristig erleichtern, unsere Hafeninfrastruktur effizienter nutzen und unsere Häfen miteinander vernetzen. Das Projekt zielt darauf ab, diese komplexen Prozesse durch digitale Lösungen zu optimieren und so die Leistungsfähigkeit der Hafenbahnen zu sichern.“
Optical character recognition
Ähnlich, wie eine Handykamera die Bildpixel eines QR-Codes erfasst und die Software im Handy, die optische Daten interpretiert, arbeitet auch RaDaR4.0 mit „optical character recognition“ (OCR), was „optische Zeichenerkennung“ bedeutet. Die frei im Handel verfügbaren genutzten Kamerasysteme befinden sich an den Gleisen und nehmen automatisiert das Ein- und Ausfahren des Zuges auf. Es werden beim Vorbeifahren des Zuges etwa Waggonanzahl, Waggonnummern, Gefahrgutsiegel, Containernummern, Fahrtrichtung und Durchfahrtzeit erfasst. Diese Daten werden von einer Software gelesen, verarbeitet und anschließend der Disposition für die Planung und Abrechnung zur Verfügung gestellt. Diese Informationen können die Disponenten dann mit den Daten abgleichen, die vom EVU übermittelt wurden. Potentielle Informationslücken werden dadurch geschlossen und die NPorts-Disponenten verfügen über umfassende Daten über ein- und ausfahrende Züge. Mit diesen Informationen können sie die Hafeninfrastruktur optimal auslasten und den Betrieb noch effizienter gestalten.
KI und Deep-Learning
Das Funktionieren des RaDaR4.0 setzt voraus, dass die eingesetzte Software weiß, wie beispielsweise ein Gefahrgutsiegel aussieht oder wie sich die Waggonnummer von einer Containernummer unterscheidet. „Die Software wurde gezielt mit Daten trainiert und ist nun in der Lage, bestimmte Informationen präzise zu erfassen und mit hoher Genauigkeit zu interpretieren. Dank des Einsatzes von Deep Learning – einer KI-basierten Methode, bei der das System Daten eigenständig verknüpft und aus diesen Verknüpfungen lernt – wird RaDaR4.0 mit der Zeit immer präziser und leistungsfähiger.“, erklärt Romina Hanisch.
„Es gibt bereits gängige Erfassungssysteme, aber die sind meistens mit hohen Kosten verbunden und nicht immer auf die Gegebenheiten eines Hafens übertragbar“, ergänzt Holger Banik. „Mit RaDaR4.0 hat NPorts eine innovative Alternative geschaffen, die wirtschaftlich sowie zukunftsweisend ist und in vielen anderen Standorten eingesetzt werden kann.“
Hanisch wirft einen Blick in die Zukunft: „Die Meldepflicht der Eisenbahnverkehrsunternehmen könnte irgendwann entfallen, wenn die durch RaDaR4.0 übermittelten Informationen auch langfristig so präzise und zuverlässig sind.“
Innovation durch Fördermittel
Das Projekt hatte eine Laufzeit von rund zweieinhalb Jahren und ist im Rahmen des Programms „Digitale Textfelder in Häfen“ vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) gefördert worden. Das Projektvolumen beträgt insgesamt 3,2 Millionen Euro, wovon der Förderanteil des BMDV 80 % beträgt.
Unter folgendem Link finden Sie Fotos zur Veranstaltung: RaDaR4.0 Projektabschluss
Fotos:
Kamerasystem: Romina Hanisch und Holger Banik stehen vor dem Standart-Kamerasystem des RaDaR4.0. (Foto: Ziegeler/NPorts)
Projektabschluss-Treffen: Projektbeteiligte ziehen in Wilhelmshaven gemeinsam eine positive Bilanz. (Foto: Ziegeler/NPorts)