Beitrag Carl Schweckendiek
Carl Schweckendiek 1901 in der Festschrift zur Einweihung des Außenhafens
d) Bau des Emder Außenhafens.
Als im Jahre 1886 die Mittel für den Bau des Dortmund-Ems-Kanals und die Verbesserung des Emder Binnenhafens bereitgestellt wurden, gab es im Seeverkehr nur wenige Schiffe, die wegen ihres Tiefgangs die Emder Schleuse nicht passieren konnten. Rotterdam, der hauptsächlichste Konkurrenzhafen Emdens, wurde im Jahre 1884 bei einem Gesamtverkehr von 3765 Schiffen nur von 10 Fahrzeugen mit einem größeren Tiefgang als 6 m besucht. Dieses Verhältnis hatte sich bis zur Fertigstellung des Dortmund- Ems-Kanals im Jahre 1898 vollständig verändert. Der Transport der für den Dortmund-Ems-Kanal in Aussicht genommenen Massenartikel erfolgt jetzt nahezu ausschließlich auf Seeschiffen von größerem Tiefgang. Es kommt hinzu, dass die Bauart der großen Seeschiffe eine ganz andere geworden ist. Bisher wurden diese auf einem scharfen Kiel gebaut, die Tiefe des Schiffsbodens nahm nach den Seiten hin sehr erheblich ab. Jetzt werden diese Schiffe, um ihr Fassungsvermögen zu vermehren, mit flachem Boden hergestellt, sie erhalten an beiden Seiten je einen Kiel. Da nun die älteren Schleusen nach Maßgabe der früheren Schiffsform mit gewölbtem Boden gebaut sind, so stoßen die neuen Fahrzeuge bei größerem Tiefgang an den Seiten auf. Es kann deshalb auch die Emder Schleuse trotz ihrer Drempeltiefe von 6,7 m von einem solchen Fahrzeuge nur dann passiert werden, wenn dessen Tiefgang ein erheblich geringerer ist.
Um den Wettbewerb mit den konkurrierenden Häfen aufnehmen zu
können, musste sich Preußen daher entschließen, auch seinen Hafen Emden für Seeschiffe von größerem Tiefgang brauchbar zu machen.
Eingehende Erwägungen führten zu dem Entschlusse, von der Erbauung einer neuen großen Seeschleuse zunächst Abstand zu nehmen, vielmehr das bisherige Außenfahrwasser als Außenhafen auszubauen. Die Vorteile eines offenen, jederzeit ohne Schleuse erreichbaren Hafens erschienen für einen raschen Umschlagsverkehr und für das Einnehmen von Schiffskohle durch die großen Dampfer sehr erheblich, man hoffte auch die Kosten der Herstellung eines Außenhafens von massigem Umfang niedriger halten zu können, als die einer Seeschleuse in den erforderlichen Abmessungen. So wurden im Sommer 1898 die Pläne zum Ausbau des Außenhafens bearbeitet.
Vorgesehen wurde in diesen die Schaffung von Liegeplatzen von 10 m unter gewöhnlichem Hochwasser (7,1 m unter gewöhnlichem Niedrigwasser), die Ausbaggerung einer Zufahrtsrinne im Aussenfahrwasser von 8,0 m Tiefe, die Erbauung einer Kaimauer von 150 m Länge, eines Kohlenkippers, eines Kaischuppens von 2000 qm Grundfläche und einer Hafenbahn, ferner der Ausbau einer Mole an der Westseite zur Erleichterung der Einfahrt in den Hafen. Außerdem war die Herstellung einer Landebrücke und eines Empfangsgebäudes für den Verkehr nach den Badeinseln, insbesondere nach Borkum vorgesehen. Das ganze Hafengelände wurde durch einen Schutzdeich, der sich an die Mole anschließt, gegen Sturmfluten geschützt. Für die Ausführung waren zwei Baujahre in Aussicht genommen. Die Bewilligung der ersten Rate der Baukosten, deren Gesamtbetrag sich auf 2.229.000 Mark belief, erfolgte durch den Staatshaushaltsetat für 1899; die Bauten wurden sofort energisch in Angriff genommen.
e) Weiterer Ausbau des Außenhafens.
Bald trat indes eine erhebliche Erweiterung des Bauplanes ein. Bei der im August 1899 zu Dortmund erfolgten feierlichen Eröffnung des Dortmund -Ems-Kanals durch seine Majestät den Kaiser und König hatten Vertreter der beiden größten Seeschifffahrtsgesellschaften der Erde, der Hamburg-Amerikanischen-Paketfahrt-Aktiengesellschaft zu Hamburg und des Norddeutschen Lloyd zu Bremen, in Aussicht gestellt, dass sie ihren Betrieb auf den Dortmund -Ems-Kanal und den Emder Hafen ausdehnen würden, wenn der letztere und die Unter-Ems von See bis Emden eine Ausgestaltung erhielten, welche für ihre großen Seedampfer genüge. Die Hamburg-Amerika- Linie erklärte sich demnächst auch bereit, in dem Außenhafen einen zu erbauenden Kai mit Lagerschuppen vom Staate zu pachten. Auch die Westfälische Transport-Aktiengesellschaft zu Dortmund, welcher der Betrieb der bisher geplanten Hafenanlagen vertraglich übertragen war, beantragte eine wesentliche Vergrößerung derselben. In Gemäßheit dieser Vorschläge ist der in der Ausführung begriffene Plan erheblich erweitert worden.
Die neuen Hafenplane und Kostenanschläge wurden schleunigst im Oktober desselben Jahres bearbeitet, sodass die erforderlichen Geldmittel noch in den Etat für 1900 eingestellt werden konnten. In diesem wurden für den weiteren Ausbau des Außenhafens 5.384.000 Mark bewilligt, sodass nunmehr im Ganzen 7.613.000 Mark zur Verfügung standen.
Die hiernach geschaffene Hafenanlage ist aus dem Lageplan, Blatt
Nr. 4, und dem Querprofil, Blatt Nr. 6, ersichtlich. Der Außenhafen ist ein offener Hafen, also von See aus ohne Durchfahrung einer Schleuse zugänglich, als solcher unterliegt er den Einwirkungen von Flut und Ebbe. Der gewöhnliche Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser beträgt, wie bereits erwähnt, 2,9 m. Die Richtung des Hafens geht von Nordost nach Südwest, da die schweren Stürme an der Nordseeküste aus Nordwesten wehen, finden die Schiffe in demselben stets ruhiges Wasser. Das Hafengelände ist gegen Nordwesten durch einen Schutzdeich gesichert, dessen Krone auf 4, 3 m über Mittel - Hochwasser liegt. Bei der Sturmflut vom 28. Januar 1901, welche die bis dahin bei Emden unbekannte Hohe von 3,7 m über Mittel - Hochwasser erreichte, hat sich der Hafen als völlig geschützt erwiesen.
Die Sohle des Hafens ist auf 11, 5 m unter Mittel - Hochwasser ausgebaggert, so dass selbst bei Niedrigwasser-Springzeit (-3,3 m) Seeschiffe von 8 m Tiefgang flott bleiben. Die Länge des Hafens betragt 1400 m, die Breite in der Sohle 94 .m. Zwei künftige Pumpenbagger, die stündlich je 500 cbm Schlick in Klapprahme fördern können, halten den Hafen frei von Schlick.
Zur Erleichterung der Einfahrt in den Hafen ist an der Westseite eine
massive, auf Pfahlrost gegründete Mole von 215 m Länge erbaut, die in
einem schlanken Bogen von 300 m Halbmesser den Übergang von der Rhede in den Hafen vermittelt und auf ihrem Kopfe ein rotes, 10 m über Hochwasser liegendes Hafenlicht trägt. Die Bauart der Mole ist derjenigen der Molen bei der Elbmündung des Kaiser Wilhelm - Kanals nachgebildet und auf Blatt Nr. 7 dargestellt.
An diese Mole schließt sich eine 850 m lange Kaimauer, deren Bauweise ebenfalls aus den Querschnitten, Blatt Nr. 7, ersichtlich ist. Die zum Teil recht ungünstigen Untergrund Verhältnisse verursachten bei der Ausführung der Mauer mancherlei Schwierigkeiten und zwangen namentlich auf der Strecke in der Nähe des Kohlenkippers, wo ein altes Priel den Hafen durchquert, zu einer recht erheblichen Verstärkung des Pfahlrostes. Die Oberkante der Kaimauer liegt auf 2,6 m über Mittel Hochwasser und wird somit bei höheren, indes selten vorkommenden Sturmfluten überschwemmt. Eine völlig sturmflutfreie Höhenlage hätte nicht nur die Baukosten ganz erheblich vermehrt, sondern auch den Verkehr zwischen Schiff und Kai unnötig erschwert. 50 m hinter der Molenwurzel steht auf dem Kai zunächst ein hochragender Krahn von 40 t Tragkraft, 13 m Auslegerweite über Kaikante und 28,8 m Hubhöhe über Mittel-Hochwasser, um Schiffskessel und sonstige schwere Stücke ein - oder auszuladen. Während die folgenden 175 m Kaimauer für weitere Schuppenbauten noch verfügbar sind, ist die übrige Länge bereits voll ausgenutzt. Zunächst sind 200 lfd; m der Hamburg- Amerika - Linie verpachtet, davon sollen die ersten 100 m als Kohlenlagerplatz verwertet werden. An diesen schließt sich ein auf Pfahlrost stehender Kaischuppen von 80 m Länge und 45, 2 m Breite, also reichlich 4000 qm Grundfläche. Derselbe ist nach dem Vorbilde der neueren Schuppen in Hamburg in der Hauptsache aus Holz hergestellt. Beide Giebel sind als massive Brandmauern aufgeführt. An den nördlichen schließt sich ein massiver Büroanbau, der auch Dienstwohnungen für zwei Beamte enthält.
Auf der Wasserseite des Schuppens und des Kohlenlagerplatzes dienen 5 elektrisch betriebene Winkelportalkrähne von 3,25 t Tragkraft, deren Laufschienen einerseits auf der Kaimauer, andererseits auf Konsolen an den Schuppen lagern, zum Löschen und Laden auf der Landseite sind 2 Wandkrähne von 1,5 t Tragkraft angebracht zum Überladen auf Eisenbahnwagen.
Der elektrische Strom für die Kräne, wie für die Beleuchtung des Schuppens wird von dem Elektrizitätswerk am Binnenhafen geliefert.
Es folgt dann der für den öffentlichen Verkehr bestimmte, 330 m
lange Kai, auf welchem ein Schuppen gleicher Bauart von 160 m Länge und 45,2 m Breite, also mit einem Flächeninhalt von reichlich 8000 qm erbaut ist. Auf seiner Wasserseite befinden sich ebenfalls 5 Kräne von 3,25 t Tragkraft; durch ein eisernes Gerüst zwischen beiden Schuppen ist es ermöglicht, die Kräne beliebig vor diesen zu verschieben. Auch dieser Schuppen hat einen Anbau zu Wohn - und Bürozwecken sowie zum vorübergehenden Aufenthalt für die Schuppenarbeiter erhalten.
Zu beiden Seiten der Schuppen befinden sich je zwei durch Weichen
mehrfach verbundene Eisenbahngleise. Neben den landseitigen Gleisen liegt die gepflasterte Zufuhrstraße für Landverkehr. Die Endstrecke zur Kaimauer von 170 m Länge ist für die Aufstellung eines elektrisch betriebenen Kohlenkippers benutzt, der stündlich 12 Eisenbahnwagen mit Steinkohlen heben und in Schiffe entleeren kann. Er ist mit den erforderlichen Zu- und Ablaufgleisen, einer Centesimalwaage sowie Drehscheiben und elektrischen Spills ausgerüstet. Auf der letzten Strecke der westlichen Hafenseite befindet sich ein Bahnhof für den Personenverkehr. Eine bewegliche Landebrücke, welche sich mit der Flut und Ebbe hebt und senkt, vermittelt den Verkehr zwischen Schiff und Bahnsteig. Das Ufer ist hier durch ein Bohlwerk befestigt, dessen Bauweise aus den Querschnitten auf Blatt Nr. 7 hervorgeht. Das ganze westliche Ufer des Hafens bis zur Mole ist mit Eisenbahngleisen ausgerüstet. Zu Feuerlöschzwecken und zur Beschaffung von Gebrauchswasser für Schiffe und das Hafenpersonal ist Anschluss an das Emder Wasserwerk hergestellt. Von der Stadt Emden bis zum Schuppen der Hamburg-Amerika-Linie wird eine elektrische Kleinbahn für den lokalen Personen- und Güterverkehr angelegt.
Das Ostufer des Hafens ist, wie der obere Teil des Westufers nur mit einem Bohlwerk eingefasst, da die Herstellung von Schuppen usw. hier zunächst noch nicht beabsichtigt war. Vor demselben stehen 14 Stück kräftige Dalben zum Festmachen für solche Seeschiffe, die Massengüter zum unmittelbaren Überladen in Kanalleichter bringen und aus solchen ihre Ladung empfangen.
An den Kais können 7 - 8, an den Dalben 6 große Seedampfer anlegen, so dass im Außenhafen, soweit derselbe bis jetzt ausgebaut ist, gleichzeitig 14 - 15 Seeschiffe Platz finden.
Um die für das Entladen und Beladen der Schiffe erforderlichen Arbeiter heranzuziehen und diese durch Gewährung angemessener Wohnungen soweit thunlich dauernd zu fesseln, hat die Stadt Emden unter Mitwirkung der Hamburg -Amerika - Linie zunächst 96 Arbeiterhäuser in freier Lage im Kaiser-Wilhelmpolder erbauen lassen. Jede Wohnung hat einen besonderen Eingang, etwas Garten und ein kleines Stallgebäude. Sie enthält im Erdgeschoss eine geräumige Wohnstube, Küche, eine Kammer und den Flur, auf dem Boden eine kleinere Kammer. Die Wohnungen sind vermietet für 3 - 3,50 Mark wöchentlich. Außerdem sind zwei Kantinen zu kürzerem Aufenthalt der Hafenarbeiter hergestellt.
Um eine ausreichende Bekämpfung ansteckender Krankheiten sicherzustellen, ist für das nächste Jahr der Bau einer den neuesten Erfahrungen entsprechenden Quarantäne Anstalt an Stelle der jetzt vorhandenen in Aussicht genommen.